Zukunft der Renten

Rhein-Sieg Journal Seniorenunnion 1/2021, S. 3-4

Nur einige Fakten und Zahlen zur gefährdeten Zukunft der Rentenversicherung.
Unsere Sozialversicherungssysteme stehen vor gewaltigen Herausforderungen, deren langfristige Dimensionen oft nicht sichtbar gemacht werden. An der gesetzlichen Rentenversicherung lässt sich das gut demonstrieren:
Bis 2030 werden in Deutschland 3,1 Millionen mehr Personen im Rentenalter leben als heute - und nach allem, was Fachleute schätzen, werden diese Personen auch noch eine längere Rentenbezugsdauer aufweisen. Blendet man Zuwanderung und steigende Erwerbsquoten aus, um den demografischen Einfluss isoliert zu betrachten, ginge das Erwerbspersonenpotenzial zwischen 2015 und 2030 um 6 Mio. Arbeitskräfte zurück; danach bis 2060 um weitere 12 Mio. Personen. Dieser Rückgang hängt auch damit zusammen, dass wir weltweit eine der niedrigsten Geburtenzahlen haben. Die Digitalisierung wird darüber hinaus eine erhebliche Anzahl sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze kosten.
Gleichzeitig sind wir meilenweit von einer Lösung der wachsenden Altersarmut entfernt, insbesondere bei Frauen, die ihre Erwerbstätigkeit wegen Kinderziehung und häuslicher Pflege unterbrechen oder ganz beenden und zusätzlich wegen geringer Entlohnung ohnehin schon winzige Rentenansprüche haben.
Berücksichtigt man dagegen eine realistische Zu- und Einwanderung und deren mögliche Integration in den ersten Arbeitsmarkt in Höhe von 200.000 Personen pro Jahr sowie eine erhöhte Erwerbstätigkeit (insbesondere der Frauen und der älteren Personen), könnten diese Effekte zumindest teilweise gemildert, aber bei weitem nicht neutralisiert werden, zumal nach 2030 die geburtenstärksten Jahrgänge in Rente gehen.
Dieses gewaltige Auseinanderklaffen der Einnahmen und Ausgaben kann man an der im Rentenversicherungsbericht 2019 dargestellten künftigen Entwicklung der "Nachhaltigkeits-rücklage" der Rentenversicherung gut nachvollziehen: Sie fällt von rund 40 Mrd. Euro am Jahresende 2020 auf knapp 7 Mrd. Euro am Jahresende 2030, obwohl der Bundeszuschuss bis dahin auf 111 Mrd. Euro angewachsen sein wird und vorausgesetzt wird, dass die Rentenbeiträge ab 2025 von heute 18,6 Prozent auf 22 Prozent steigen.
Von einer Nachhaltigkeitsrücklage kann gar keine Rede mehr sein, denn selbst die aktuelle Rücklage reicht nur für 1,75 Monatsausgaben. Wer davon spricht, dass die Rentenkasse voll ist, schließt die Augen vor der absehbaren Entwicklung und macht sich und anderen etwas vor.
Die Politik hat trotz dieser für jeden erkennbaren Entwicklung neue Leistungen wie die Rente mit 63 und die Mütterente draufgesattelt. Hinzu kommt, dass gesetzlich festgelegt worden ist, dass die Renten nicht sinken dürfen, selbst wenn die Löhne sinken. Das Ganze wird durch sogenannte "Haltelinien" bei den Beiträgen gesetzlich (wohlgemerkt nur bis 2025!) garantiert. Schon diese Befristung verdeutlicht, dass es danach nicht so weitergehen kann.
Einer vernünftigen Lösung wird in der politischen Diskussion - wissentlich oder unwissentlich - ein Schreckgespenst in den Weg gestellt: Die Behauptung vom "sinkenden Rentenniveau". Es ist schlicht falsch, damit eine Senkung der Renten zu implizieren: Selbst bei sinkendem Rentenniveau steigen die Renten, nur steigen sie langsamer als die Löhne. Das aber ist das Ergebnis der sog. "Rentenformel", die Grundlage der Rentenberechnung ist.
Die von der Bundesregierung berufene Rentenkommission hat (leider) in diesem Jahr nach zähen Verhandlungen kein tragbares Ergebnis gebracht. Man hat sich nicht einmal auf die in anderen Ländern längst eingeführte Koppelung des gesetzlichen Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung einigen können. Genau das aber wäre eine der möglichen Maßnahmen, die eine Verbesserung der Einnahmen bei gleichzeitiger Senkung der Ausgaben bewirken könnte. Die große Mehrheit der Personen, die 65 Jahre alt sind, sind besser ausgebildet und gesünder als je zuvor. Sie könnten weiter arbeiten und damit ihre gesellschaftliche Teilhabe realisieren. Rund 15 Prozent tun es auch heute schon. Aber unverständlicher Weise wird gezaudert, dies zu einer verbindlichen Regelung zu machen. Immerhin hat man den Übergang vom Arbeitsleben in die Rente etwas flexibilisiert, aber bei weitem nicht genug, um eine nachhaltige Verbesserung zu erzielen.
Es gibt viel zu tun!